Rezension ~ Die Erschöpfung der Frauen: Wider die weibliche Verfügbarkeit - von Franziska Schutzbach

 
 
 

“Die Ursachen der weiblichen Verausgabung.”

 

Klappentext

Frauen haben heute angeblich so viele Entscheidungsmöglichkeiten wie nie zuvor. Und sind gleichzeitig so erschöpft wie nie zuvor. Denn nach wie vor wird von ihnen verlangt, permanent verfügbar zu sein. Die Geschlechterforscherin Franziska Schutzbach schreibt über ein System, das von Frauen alles erwartet und nichts zurückgibt – und darüber, wie Frauen sich dagegen auflehnen und alles verändern: ihr Leben und die Gesellschaft.

(c) Droemer Knaur

Erster Satz (okay, ersten vier Sätze)

“Ich erinnere mich, wie ich vor vielen Jahren, ich glaube, es war 2008, einmal die Frauen in meiner Familie und in meinem Freundeskreis fragte: Kennt ihr dieses Gefühl, es allen recht machen zu wollen? Woher kommt das?” Ich erhielt viele Antworten, per Mail, in Gesprächen. Ich wollte einen Text daraus machen. Aber ich war: zu erschöpft.”

Im Vorfeld

“Die Erschöpfung der Frauen - Wider die weibliche Verfügbarkeit” ist eines der wenigen Sachbücher, die ich dieses Jahr lese. Das erste Mal las ich davon in einem Kommentar bei Youtube. Leider kann ich nicht mehr sagen, welches Video es war. Da aber mein Kontakt zum Verlag recht gut ist, fragte ich nach einer kurzen Recherche direkt nach dem Buch und habe es auch glücklicherweise bekommen.

Da ich glaube, dass Frauen fortlaufend in verschiedenen Lebensbereichen sehr stark unter mehrfachen Druck stehen und ich zu der Zeit meiner Anfrage diesen Druck auch immens gespürt habe, hat mich das Thema nicht einfach nur neugierig gemacht. Es hat mich sozusagen getriggert, mehr darüber zu erfahren. Den Hintergründen und der Geschichte dieser Situation auf den Grund zu gehen.

Und genau hierfür ist dieses Buch sehr gut geeignet:

Das Buch und meine Meinung

Noch am Tag der Zustellung habe ich das Buch aufgeschlagen und direkt begonnen zu lesen. Das mache ich eigentlich nicht oft. Doch wie gesagt. Ich war getriggert. Ich wollte wissen, um was es geht. Ich wollte wissen, wie und ob sich all die Erfahrungen, die ich im Laufe meines bisherigen Lebens gesammelt habe, in dem Buch wiederfinden werden.

Also Verpackung aufreißen.

Buch aufschlagen.

Widmung lesen.

Inhaltsangabe anschauen und: Beginnen.

Franziska Schutzbach warnt. Es soll kein Ratgeber sein. Kein psychologisches Buch. Nein. Es soll ein Einblick in die Geschichte und die Situation. Wie konnten wir Frauen bis heute in der Welt auf solche Art und Weise leben? Was führte dazu und wie sieht die Welt aktuell aus?

Und ja. Es ist eindeutig kein Ratgeber, aber dazu später mehr.

Die Autorin greift viele Themen auf. Nicht alle konnte ich zu hundert Prozent nachempfinden, da ich nicht selbst alles erlebt habe (glücklicherweise). Und so konzentrierte ich mich beim Lesen zunächst auf die für mich relevanten Inhalte.

Um dir aber einen Einblick zu geben: Es geht um

die sexuelle Verfügbarkeit der Frauen

Darunter fallen laut der Autorin, der Kampf um den öffentlichen Raum, darum, dass sich Frauen verstellen müssen. Um Vergewaltigungsmythen, der Reiz des Opfers sei schuld an der Gewalt. Oder auch darum, einen Mann überzeugen zu müssen, Frauen nicht zu belästigen.

Du merkst also schon: Es geht ans Eingemachte.

So zum Beispiel auch um die Ursachen des schlechten Selbstvertrauens, wie der Spaltung der Frauen untereinander, oder wie Frauen das Menschsein (in der Geschichte und bis heute) abgesprochen wurde.

Auch um Emanzipation und warum sie so viel Kraft braucht.

Dazu habe ich unter den Beitrag auch ein, wie ich finde, schönes und wichtiges Video hinzugefügt. Schau es dir doch an. :)

Es geht aber auch um Körperscham. Darunter nennt sie Dinge wie Fatshaming und die lebenslange Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper sowie die Frauen wider der körperlichen Verfügbarkeit.

Auch andere gesellschaftskritische Inhalte, wie die Mutterschaft findet ihren Weg in das Buch. Beispielsweise, dass Elternsein radikale Pausenlosigkeit bedeutet, Mütter aber zugleich idealisiert und abgewertet werden.

Wichtig waren mir selbst auch die Themen der emotionalen Verausgabung im Beruf und der Mental Load in Beziehungen und Familie. Beides wird vertieft durch Unterthemen der Ökonomisierung von Emotionen oder warum Männer sich im Haushalt nicht zuständig fühlen.

Schwirrt dir schon der Kopf? Kein Wunder. Während ich das schreibe fällt mir auf, wie viele Inhalte das Buch bietet und trotzdem scheint es auch wieder nicht genug zu sein. Es sind keine dreihundert Seiten und dennoch schafft es Franziska Schutzbach, die wichtigsten Inhalte anzusprechen.

Ich habe vieles über die geschichtlichen Hintergründe erfahren, aber auch Frust durchlebt, während ich es gelesen habe. Dinge, die mich berührt haben. Nach dem Lesen bin ich überzeugter, als zuvor, dass es ein Buch ist, dass jede Frau und auch jeder Mann gelesen haben sollte.

Nur, und hier mein einziger, aber auch wichtigster Kritikpunkt:

Die Autorin sagte, es solle kein Ratgeber werden. Und nein, ich benötige auch keinen, deswegen ist es in Ordnung. Aber das Thema ist so, so wichtig! Und der Schreibstil stellenweise so unfassbar unnötig kompliziert. Mehr als es sein müsste.

Habe ich die Inhalte dennoch verstanden? Ich denke ja. Aber:

Viele Menschen unserer Welt benötigen diesen immens wichtigen Input und werden diesen Schreibstil NICHT verstehen können. Einfach deswegen, weil wir Dinge verschieden aufnehmen. Manche können keine Universität besuchen und Wörter, wie die Autorin sie verwendet, lernen. Und das hat nicht zwangsläufig etwas mit Intelligenz zu tun.

Es hat aber etwas damit zu tun, wie schnell jemand ein Buch, welches im Lesen zu anstrengend ist (erst recht überforderten Frauen!), bereit ist wegzulegen. Und das sollte bei solch einem Thema nicht sein.

Alleine deswegen würde ich jedem anderen Buch nur drei Sterne geben. Hier mache ich eine Ausnahme, aus dem einfachen Grund, einen Impuls zu geben. Vielleicht ziehst du das Lesen ja in Betracht?

Ich empfinde das Buch, als wichtig und bin froh, es gelesen zu haben.

Und nun wird es Zeit für das versprochene Video.

Es ist eine Rede von Emma Watson aus dem Jahr 2014, vor der UN im Zuge von HeForShe. Eine bewegende Rede. Du kannst dir den deutschen Untertitel einblenden lassen.

Viel Spaß dabei. Ich werde da ja immer total emotional. :)

Ein Video der Vereinten Nationen

Noch nicht genug?

Also gut.

Hier noch eine Rede. :P

Leider gibt es hier nur den englischen Untertitel…


Allgemeines zum Buch

Erscheinungsdatum: 01.10.2021

Seiten: 304

Genre: Gegenwartsliteratur, Feminismus, soziale Diskriminierung

Kaufdaten

Verlag: Droemer HC

ISBN: 978-3-426-27858-1

Preis: 18,00 € (Hardcover)


Rezension zu Die Erschöpfung der Frauen: Wider die weibliche Verfügbarkeit von Franziska Schutzbach durch Milla von lesen schreiben leben mit 5 Sternen Droemer Cover

Letzter Satz

“Dafür benötigen wir Veränderung - einen Paradigmenwechsel, ja, eine Care-Revolution.”

  • Franziska Schutzbach, geboren 1978, ist promovierte Geschlechterforscherin und Soziologin, Publizistin, feministische Aktivistin und Mutter von zwei Kindern. Im Jahr 2017 initiierte sie den #SchweizerAufschrei, seither ist sie eine bekannte und gefragte feministische Stimme auch über die Schweiz hinaus.

    Ihre Forschungsschwerpunkte sind Geschlechterthemen wie Misogynie und Sexismus, darüber hinaus befasst sie sich mit den Kommunikationsstrategien von Rechtspopulisten. Franziska Schutzbach lebt in Basel.

Das Copyright von zitierten Texten, Bildern und Illustrationen liegt beim jeweiligen Verlag, Autor und/oder sonstigen Rechteinhabern. Ich verwende lediglich meine eigenen Bilder, die Bilder von Unplash und ggfs. vom Verlag zur Verfügung gestellte Cover. Das Copyright meiner Beiträge, inkl. Rezensionen, liegt bei mir.


Dies ist ein Rezensionsexemplar, welches mir freundlicherweise vom Verlag zur Verfügung gestellt wurde. Danke!


Schlagwörter siehe unten

Zurück
Zurück

Zehn Bücher aus meinem SuB, die ich dieses Jahr noch unbedingt lesen möchte

Weiter
Weiter

Ich empfehle Bücher von Selfpublishern